Karma

As a man sows, so shall he reap.”

Dieser Artikel widmet sich einer kurzen Auseinandersetzung mit dem Thema Karma, also dem Prinzip der Kausalität, im Zuge dessen eine Handlung je nach ihrer Qualität entsprechende Resultate bewirkt. Ein tieferes Verständnis dieser Gesetzmäßigkeit hilft uns dabei bewusst und kreativ zu leben, was uns erlaubt gewünschte Lebensumstände zu verwirklichen und die Manifestation von Ungewünschtem zu unterbinden. Dies kann uns sukzessive in eine Lebensweise bedingungsloser Eigenverantwortung und zur vollen Anerkennung unserer potentiellen Schöpferkraft führen.

Die Doktrine des karmischen Gesetzes ist sowohl im Hinduismus, als auch im Buddhismus und Jainismus fundamental. Im Kontext dieses Gesetzes muss der Mensch für alle Taten, die nicht im Einklang mit der universellen Wahrheit und Liebe schwingen, das Fehlverhalten dieser Taten erleiden. Auf der anderen Seite erfreut er sich an jenen Handlungen die im Einklang sind mit der kosmischen Harmonie.

Durch tugendhaftes und untugenhaftes Handeln ergeben sich
[entsprechend] freudvolle und leidvolle Konsequenzen.”
Yoga Sutras, Kapitel 2, Vers 14

In diesem Verständnis gibt es keine Kraft im Universum die unsere Taten daran hindern könnte Früchte zu tragen. Es ergibt sich also eine definitve Verbindung zwischen dem was wir heute tun, und dem was wir morgen erleben werden. Somit wären wir auch verantwortlich für unseren gegenwärtigen Zustand, welcher als das Resultat unserer vergangenen Handlungen zu verstehen ist. Dies kann für manche eine beängstigende Vorstellung sein, für andere wiederum eine sehr ermutigende, bemächtigende oder auch einfach eine ganz logische.

In den Worten des großen Swami Sivananda Maharaj von Rishikesh (1887 – 1963):

You become good by your good actions and bad by your evil actions. If you entertain evil thoughts, you must suffer the consequences. You will be in difficulties and will be surrounded by unfavorable circumstances. You will blame your surrounding and circumstances. Understand the law and live wisely. Entertain noble thoughts. You will be happy always.”

“Living wisely” führt uns sogar über sämtliche Bindungen der karmischen Gesetzmäßigkeit hinaus. In der Yoga Tradition betrachten wir Rechtschaffenheit (righteousness) als zentrale Qualität in einer von Weisheit geprägten Lebensweise. Rechtschaffenheit befreit und begnadigt uns jetzt und hier, lässt uns also sehen, dass alles göttliche Gnade ist. Diese Rechtschaffenheit ist Handeln in welchem Gerechtigkeit, Integrität, Aufrichtigkeit, Heiligkeit und Liebe widerhallt.

Wenn wir unsere Freude, unser Glück in einem rechtschaffenden Lebensausdruck suchen, unserer inneren Stimme, unserem Herzen folgend, dann leben wir als natürliche Konsequenz in der nährenden Kraft der Verbundenheit, in der Kraft der Integrität. Wir entwickeln Gleichmut gegenüber Erfolg und Genuss, welche auf Kosten anderer Menschen oder auf dem Schmerz anderer Lebewesen beruhen. Wir entsagen den Früchten oder Resultaten unserer Handlungen, handeln sozusagen nicht mehr um etwas Ersehntes zu erhalten oder um uns vom Unangenehmen zu befreien, sondern im Geist und in der Kraft unserer innersten Wahrheit. Hier können wir eine neue Wende im Verständnis von Karma feststellen, von der Ebene der egozentrischen Sichtweise in welcher positive karmische Resultate das Handlungsziel darstellen, zu einer Ebene in welcher das Transzendieren von Begrenzung und das Auflösung eines limitierenden Selbstbildes und das Folgen einer höheren oder inneren Führung die zentrale Handlungsmotivation bilden.

Wir brauchen dann nicht den nächsten Moment (die Früchte) um endlich anzukommen, um endlich zu sein … sondern finden unser Heim in Gegenwärtigkeit (der Quelle), in Präsenz, im Existieren, im Sein selbst. Wir sehen, dass nicht in den Früchten unseres Handelns absolute Verwirklichung liegt, sondern in der Anerkennung unserer Einheit mit dem Kosmos.

Dies ist der Pfad des karma yoga oder der Vereiningung mit dem Göttlichen durch rechtes Handeln, worin Handlung als eine bewusste, integrative, absolut lebensbejahende Kraft erfahren wird.

Der so handelnde Mensch lernt die Einheit aller Dinge zu erkennen, und handelt somit für das Ganze ebenso als würde er für sein eigenes Wohl handeln; und er handelt für sich selbst ebenso als würde er für das Wohl des Ganzen handeln. Er wird zum Wissenden, zum Sehenden.

For, as he sees the Lord present, equally everywhere, he does not injure his true Self by the [false] self and then he attains to the supreme goal.” Bhagavad Gita, Chapter 13, Vers 28

He who sees the Supreme Lord abiding equally in all beings,
never perishing when they perish, he, verily, sees.” BG, 13, 27

Im Kontext von karma yoga drückt das Sanskritwort naishkarmya, wörtlich “Nichthandeln”, eine Handlungsweise aus, die dem taoistischen wu-wei entspricht. Der Karma Yogin handelt ohne die Intervention einer ich-haften Motivation, ohne die Handlung zu erzwingen oder zu bewirken, er lässt sie einfach “von Natur aus” passieren. Somit kann naishkarmya oder wu-wei besser als zwangloses Handeln, oder als ich-befreites Handeln verstanden werden. Es wird gesagt, dass der verwirklichte Yogin die Illusion, das Ich sei das handelnde Subjekt, überwunden und somit erkannt hätte, dass alles Handeln spontan geschieht, wie ein glattes, natürliches Fließen.

Die Praxis von Karma Yoga ist also nicht notwendigerweise (nur) “gutes Handeln”, sondern selbstloses Handeln, also die Transformation der Handlungen in Opfer an das Göttliche, ein “heilig machen” (sacrum facere), eine Praxis der Ich-Transzendierung. Das Opfer ist dabei das Ego, oder das begrenzte Selbstbild mit all seinen Anhaftungen, Widerständen und Zwängen.

So wie die wenig Klugen ihrem Tun verhaftet handeln, o Bharatas Sohn, so soll’n die Weisen handeln, ohne dran zu haften, und das Wohl der Welt nur wünschen.BG, 3, 25

Literatur:

V. T. Neelakantan, The Voice of Babaji, S. 152-154

S. Radhakrishnan, The Bhagavad Gita, S. 311

M. Govindan, Die Kriya Yoga Sutras des Patanjali und der Siddhas, S. 66

G. Feuerstein, Die Yoga Tradition, S. 100-109

1 Comment on “Karma

  1. Vielen Dank für diesen wunderbaren wahren Text!
    Wie berűhrend u wahr er sich anfűhlt u mir bewußt macht, wie sehr ich doch immer wieder ins “Tun” bzw unbewußte handeln trifft – aus Angst Od alten Gewohnheiten heraus……
    Bei mit tut sich grad “einiges” – wichtige Entscheidungen stehen an u es bleibt alles SPANNEND!
    DANKE f Alles u bis bald, alles Liebe, Sylvia

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